Ein Bauernhofleben - Paradies oder Hölle?

 23.01.2017 21:37:16 | von unbekannt |  68 mal gelesen

Ein Bauernhofleben - Paradies oder Hölle?

Wie wird es wohl sein, wenn ein Veganer auf dem Bauernhof lebt, morgens mit einem Hahnenschrei geweckt wird, die Ziegen lustig meckern und der Hund des Hofes in freudiger Erwartung bellt. Auf der anderen Seite die Gewissheit, dass vor der Weihnachtszeit das letzte Stündlein für die Entlein geschlagen hat, den Hennen ihre Eier weggenommen werden und der Hund allein im Zwinger leben muss.

Es ist Anfang November. Die Sonne steht über den Feldern und scheint mir warm ins Gesicht. An Stellen, an denen sie noch nicht gewesen ist, glitzert der Raureif auf den Grashalmen und eine milde Kälte umgibt mich. Ein Hahnenschrei hallt über den Hof. Auf dem Pfeiler des Holzzaunes, thront er stolz, ein wunderschöner, italienischer Hahn. Sein dunkles Gefieder schillert im Sonnenlicht in allen Farben des Farbspektrums. Er genießt, von dort oben, nicht nur die Aufmerksamkeit seiner Hennen, sondern auch die der anwesenden Menschen. Ein echter Italiener eben, denke ich. Ein paar Schritte weiter gehen wir auf eine umzäunte, grüne Wiese zu auf der ein großer Baum steht und ein kleiner Teich angelegt ist. Drei gecheckte Zicklein verlassen ihr kleines, mit Liebe bemaltes Holzhäuschen über den dort angelehnten Steg und kommen neugierig an den Zaun gelaufen. Sie teilen ihr grünes Gehege mit Hühnern und ein paar Enten. Der Hof wirkt sehr idyllisch und harmonisch. Die Tiere fühlen sich sehr wohl dort. Das sehe ich Ihnen an.

„Wir haben auch frische Eier. Zur Zeit gerade nicht, weil die Hennen nicht legen“, erzählt der Hofherr. „Ich kaufe die Eier dann immer bei meiner Bekannten aus dem Dorf und verkaufe dann auch welche von diesen weiter“, erzählt mir die Hofherrin. Ich überlege, ob ich ihr erzähle, dass ich kein Interesse an Eiern habe und warum es so ist. Dann entscheide ich mich einen Scherz zu machen. „Sie verkaufen die Eier dann teurer?“ „Nein, nein! Das mach ich nicht,“ sie lacht. Ich lache mit ihr.

Mir fällt auf, dass eine der drei Ziegen humpelt. Ich frage nach. Zahlreiche Tierarztbesuche, brachten nur einen zeitweisen Erfolg, erzählen mir die Besitzer. „Mein Bekannter aus dem Dorf sagte, man könne ihr nur noch das Fell über die Ohren ziehen“, erzählte der Bauer des Hofes. Ich sage nichts, da es nicht tatsächlich seine Absicht zu sein scheint. Seine Frau kommt mir hier sogar zuvor. „Nein! Ziegen schlachten kann ich nicht! Das wird schon wieder“, erwidert sie ihm leicht hysterisch. Dieselbe Frau hat wenige Tage zuvor alle Enten, bis auf die fünf, die vor uns im Gehege sitzen, geschlachtet. Sie wollen jetzt im Winter länger schlafen, erzählen sie mir. Etwas in mir krampft sich zusammen. Doch ich erzähle ihnen nicht, dass ich vegan lebe. Ich kenne selbst das Landleben. Sie hätten kein Verständnis für meine Einstellung. Und irgendwie sind die beiden dennoch Tierlieb. Oder etwa nicht? Denn zugleich tut es der Hofherrin um ihre armen Hühner leid, die ab dem folgenden Tag eingesperrt werden müssen, weil eine Stallpflicht, aufgrund des Virus H5N8, staatlich angeordnet wurde. Sie ist Köchin und auf dem Land mit Tieren groß geworden. Sie ist im Umgang mit Nutztieren und der Zubereitung von deftigen Fleischgerichten groß geworden. Sie hat sich nie die Frage gestellt, warum sie Enten und Hühner schlachten kann, Ziegen hingegen nicht. Trotzdem sie eine bestimmt Kategorie Tiere töten kann, empfindet sie für diese Mitleid und eine gewisse Empathie und Sympathie. Sie kümmert und versorgt ihre Tiere gut. Sie steht jeden Morgen früh auf und ist jeden Tag für ihre Tiere da. Sie erfreut sich daran, wenn es ihnen gut geht, wenn sie auf ihrem Hof herumlaufen und ist traurig, wenn es einem ihrer Tiere nicht gut geht.

Soll ich diese Frau nun beschimpfen und mit dem erhobenen Zeigefinger mahnen, wie sie nur ein Lebewesen töten kann? Soll ich ihr sagen, dass es ihr nicht zusteht über das Lebensende eines Individuums zu entscheiden und sie automatisch zum schlechteren Menschen erklären? Soll ich mich über sie stellen, als ob ich nie Fehler begangen hätte und nie zuvor Fleisch verzerrt hätte. Fleisch von einem Tier, dass ich nie selbst hätte töten können und froh war, dass es andere für mich taten. Ist das nicht noch inkonsequenter gewesen? Dieser Frau wurde von ihren Eltern, genau wie mir von meinen Eltern, gelehrt was richtig und was falsch ist. Auch ihr weiterer Lebensweg hat ihre Taten nie in Frage gestellt. Ihre Taten sind vor dem Gesetzt legitim. Die Medien, die über die Zustände in der Massentierhaltung berichten, geben ihr tagtäglich ein gutes Gefühl, weil sie weiß, dass ihre Tiere es gut bei ihr haben. Sie würde Ihre Tiere nie quälen, nie misshandeln, nicht mästen oder mit Antibiotika vollstopfen. Sie würde sie nicht mästen, bis das Skelett nicht mehr in der Lage ist den Körper zu tragen. Ihre Hühner werden nicht geschlachtet, weil sie zu wenig Eier legen. Sie dürfen draußen frei herumlaufen und auf grünem Grass tollen. Sollen wir diese Frau nun für Ihr Denken und Tun angreifen?
Welche Reaktion erhoffen wir uns darauf von ihr? Dass diese Frau sich auf einmal an den Kopf schlägt und einsieht, wie dumm sie, ihre Eltern und der Großteil der Gesellschaft all die Jahre gewesen ist? Ist es nicht sinnvoller ihr zuzuhören, ihre Ansichten zu verstehen und ihr langsam dabei zu verhelfen einfach mal ihren Blickwinkel zu verändern, ihr einfach mal die richtigen Fragen stellen? Sie einfach zu fragen, warum sie Hühner und Enten schlachtet, Ziegen hingegen nicht.

Fakt ist, dass es nicht unsere Erwartung sein sollte, jemanden vom Fleischessen abzuhalten. Denn die Taktik, alle Tierproduktverzehrer an ihren eigenen Stuhl zu fesseln und Ihnen eine Woche nur Gemüse zu kredenzen und sie damit zum Veganer zu bekehren, wird nicht funktionieren. Sicher kann und sollte es unser langfristiges Ziel sein, Menschen von den Vorteilen der veganen Ernährungs- und Lebensweise zu überzeugen. Wir können jedoch nicht von Ihnen verlangen, dass sie von heut auf morgen das aufgeben, was sie jahrelang als richtig erachtet haben. Gerade die Menschen, die auf dem Land leben, nehmen, im Gegensatz zum überwiegenden Teil der Großstädter, Abstand von der Massentierhaltung.
Ein entscheidender Punkt ist auch die Angst. Die Angst vor einer Mangelernährung, einer komplizierteren Lebensweise, Verzicht auf Geschmack und Genuss.
Nur mit kleinen Schritten, kleinen Erfolgen und Rückschlägen, viel Aufklärung, Geduld und Überzeugungskraft erreichen wir ein Verständnis bei unseren Mitmenschen. Druck erzeugt immer Gegendruck, nicht nur bei eurem Gesprächspartner, sondern auch bei euch selbst. Die Frustration, die euch überkommt, weil ihr zu hohe Erwartungen hattet, wird euch auf Dauer nicht gut tun und euch, gegenüber euren Mitmenschen, nicht neutral und seriös auftreten lassen. Gerade als Veganer wollen wir ein glückliches Leben für alle Bewohner dieser Erde, unserer Erde. Wir fordern Toleranz, Verständnis, Einfühlungsvermögen, Fairness und ein friedliches Zusammenleben. Steckt die Menschen lieber mit eurer Fröhlichkeit, Aufgeschlossenheit und Überzeugung von der veganen Lebensweise an, anstatt mit noch mehr Frustration und Hass die Welt zu verseuchen. Wir wollen keine Kriege. Wir wollen Frieden. Lasst uns darum gemeinsam nach Wegen suchen.

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